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Es ist wie es ist ... und alles bleibt anders.


Marie I

Veröffentlicht von TiRo auf 20. Juni 2013, 19:18pm

Kategorien: #Marie

 

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Es gab da mal den Gedanken, dass ich nur noch dann etwas von Marie in den Blog schreibe, wenn ich gut drauf bin, alles entspannt ist und ich meinen Hund belobhudeln kann... Schei** drauf - klappt nicht. Ich muss dann schreiben, wenn mir danach ist und nicht dann, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

Gestern hatten wir einen ganz schrägen Tag. Marie ist nun seit Mai ein Jahr bei uns. In diesem einen Jahr habe ich mich – mit punktuellen Einbrüchen – als sehr leidensfähig erwiesen. Ich ließ mich an der Leine hinterher zerren, Einbußen im Rücken-, Schulter- und Nackenbereich erduldete ich mit ein wenig Jammern, daraus resultierende Kopfschmerzen betäubte ich mich Schmerzmitteln. Die mangelnde Frustrationstoleranz meines Hundes beschmunzelte ich und fand es schon fast „entzückend“, wie mein Hund doch in diesem Jahr aufgetaut ist und wie weltoffen sie sich nun zeigt. Dass sie mir dabei fast die Küche zusammenschrie, wenn es Futter gab, mir beim Anspringen meine Haut mit ihren Krallen fast in Fetzen zog und einmal sogar meine Niere in einer völlig übersprudelnden Handlung auspacken wollte, erduldete ich mit einem ab und zu entwichenen Schmerzenslaut.

Draußen zeigte sie sich routiniert bekloppt. Natürlich gibt es immer mehr Tage, an denen es gut läuft und ich zu Recht auch stolz auf meinen Hund bin. Aber mal ehrlich: unter dem Strich ist es noch immer verhältnismäßig chaotisch, wenn wir unterwegs sind. Bisher fand jeder Marie toll (oK, es traut sich sicherlich bei mir auch niemand, etwas anderes zu behaupten ;)), von der Optik und vom Wesen. Solange wir standen...., solange wir einfach nur so „da“ waren. Spätestens wenn Bewegung ins Spiel kam, wurden die Menschen um mich herum stiller, guckten einfach nur oder kamen sogar mit dem Spruch: „Den Hund würde ich nicht haben wollen!“. Das tollste an Kommentar war mal ein völligst ernst gemeintes: „Den würde ich wieder abgeheben! Da haste ja nur Stress mit!“.

An alle Menschen da draußen: wie gut, dass Ihr diesen Hund nicht haben wollt oder ihn an Eurer Seite haben müsst, denn er ist ja schon meiner! Marie gehört zu mir und das ist gut so! Schon mehrere voneinander unabhängige Menschen meinten, dass Marie ein „klassischer Fall von Wanderpokal in Tierschutzkreisen“ geworden wäre. Ich denke auch, da ist was dran... Wobei wir uns darüber eigentlich keine Gedanken machen müssen. Denn dieser Hund ist ja schon hier und für mich einfach nur klasse! Egal, wie sehr sie mich bisher gefordert, überfordert, geschreddert und stolz gemacht hat: dieser Hund ist genau das, was ich brauche! Sie erdet mich, sie spiegelt mich schneller, als dass ich mich selbst erkennen würde - und hat mir gezeigt, dass es Hunde gibt, die noch mal „anders“ als „anders“ sind. Bei denen bestimmte Logiken nicht greifen. Bei denen man alles bisher bekannte und aus Überzeugung angewandte „über Board schmeissen“ muss. Die eben keinen ersichtlichen „roten Faden“ in ihrer Entwicklung haben. Die so anders sind, dass sie scheinbar „rückwärts lernen“ und über Strategien verfügen, die mich staunen lassen. Dieser Hund ist wie eine große Party: wir tanzen, wir lachen, wir saufen, wir haben gemeinsam Spaß, wir schlagen „über die Strenge“, wir benehmen uns richtig daneben, wir streiten uns, wir versöhnen uns und wir wachen mit einem dicken Kater am nächsten Tag auf!

Dass Marie aus dem Tierschutz ist und irgendwann auch mal in einer Tötungsstation sass, scheint meinem Umfeld hier zu helfen, den einen oder anderen chaotischen Spaziergang mit Verständnis und „Sanftmut“ zu beobachten, uns quasi einen „Bonus“ zu geben. Kommt mir ganz gelegen, wenn ich ehrlich bin. So kann man einige „in die Hose gegangenen“ Situationen galant überspielen. Und mal ernsthaft: Marie und ich haben schon das „große Los“ gezogen, als ich sie entdeckt habe: sie kam da weg und ich bekam meinen Hund – alles tutti.  Klar hat sie „Altlasten“, klar weiss ich nicht, was sie vorher erlebt hat und sicherlich müssen wir hier nun das eine oder andere „ausbügeln“, was während der Sozialisation schief gelaufen ist oder erst gar nicht statt gefunden hat. Aber... nü?! Es ist mir schnurz egal, ob sie mal einen Säbelzahntiger getroffen hat, der „Buh!“ gerufen hat oder ob sie mal ein Kaninchen erwischte, was nach Pfefferminz geschmeckt hat. Fakt ist, dass dieser Hund ein Überraschungspaket ist, welches mich jeden Tag wieder Neuigkeiten entdecken lässt und „Dinge“ beinhaltet, bei denen man manchmal ein wenig länger und manchmal auch nur ganz kurz warten muss, bis diese ans Licht kommen.

Jetzt gerade liegt dieser schwarze Fledermausohr-Spinnenbein-Hund unter meinem Tisch, sucht meine Nähe, weil sie Angst hat. Sie zittert wie Espenlaub, hechelt immer stärker und lässt sich nur aufgrund meines Körperkontakts und Nähe von einer Panikattacke abhalten. Würden wir jetzt raus gehen, dann würde sie über genügend Strategien verfügen, mit dieser Angst und dem Gewitter umzugehen. Sie wüsste, dass sie sich unter Büsche legen, in Kellerlöcher verkriechen oder in Hauseingängen setzen müsste. Im Haus fehlen ihr noch die einen oder anderen Möglichkeiten. Die Regentropfen, die auf die Fenster und das Dach platschen, sind für sie noch immer ungeheuerlich und die Blitze geben ihr den Rest. Ja nü...., ich werde jetzt nicht die Dortmunder Feuerwehr bitten, drei Mal die Woche mit ihrem Schlauch Wasser über das Dach spritzen zu lassen und die benachbarte Schule beauftragen, vier Mal die Woche ein Feuerwerk hochgehen zu lassen, damit sich Marie daran gewöhnen kann?! Nee..., da müssen wir „so“ durch und wenn man bedenkt, dass dieser Hund vor rund einem Jahr das erste Mal in seinem Leben (und davon gehe ich aus, nach dem, wie das damals war) und mit mir ein Haus betreten hat, dann geht das schon „so“. Besonders freute sie sich damals übrigens über die in der Küche stehenden Mülltonnen und ihre erste Aktion, nachdem sie ihren „inneren Schweinehund“ überwunden hatte, bestand darin, diese Tonnen auszuräumen, mit dem anschließenden Versuch auf die Küchenanrichte zu springen (könnte ja noch was zum Fressen rumliegen) und erst mal einen beherzten Schlabber aus meinem Kaffeepott zu nehmen. Ich sach ja: der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Die gemeinsame Leidenschaft für Kaffee hielt bei ihr nicht lange an, dafür die punktuelle Dreistigkeit und das alleinige Fressenbesorgen. ;)

Während es im Haus derweilen in meiner Küche Samler – Boxen von IKEA gibt, um ihr so zumindest den Zugang zur „Beute“ zu erschweren, habe ich diese Draußen nicht. Draußen ist nichts sicher vor diesem Hund. Äh nee, stimmt nicht: die Mülltonnen sind nun sicher, die zeigt sie mir nicht mehr an. Ansonsten jagt sie wie Dreck. Alles, was lebt. Also, keine Autos, Laternen oder Schatten – es müssen schon Tiere sein. Da unterscheidet sie aber nicht. Es ist egal, ob es sich um eine Fliege handelt oder um ein Wildschwein. Da kennt sie nix. Da verfügt Marie über nichts anderes als über Dopamin. Das rauscht durch ihre Adern und Ohren, der Gedanken und Blick ist weg. Das Resultat zählt: hetzen und töten. Jagdhunde und jagende Hunde: mein Steckenpferd. Aber Marie beschreitet eine neue Dimension: ich habe noch nie zuvor einen Hund erlebt, der Vögel fangen kann! 

 

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